Definition und Ursachen
Bei sekundären Immundefekten handelt es sich um erworbene Funktionsstörungen des Immunsystems, die u. a. mit einem Antikörpermangel einhergehen und mit erhöhter Infektanfälligkeit sowie höherer Mortalität assoziiert sind.Ursachen
In der Klinik und in der Praxis haben sowohl hämatologisch-onkologische Erkrankungen als auch deren Therapien einen großen Anteil an der Pathogenese sekundärer Immundefekte.
Insbesondere lymphoproliferative B-Zell-Erkrankungen wie die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL), das Multiple Myelom (MM) und andere Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) sind für die krankheitsbedingte Entstehung von sekundären Immundefekten verantwortlich.[1,2,3]
Bei MM-Patienten kann trotz normalen oder sogar erhöhten IgG-Serumwerten eine funktionelle Hypogammaglobulinämie entstehen, wenn die gebildeten Antikörper aufgrund ihrer Monoklonalität keinen ausreichenden Schutz zur spezifischen Immunabwehr bieten.[4] Auch bei CLL-Patienten kann es unter der Therapie zu einer Einschränkung der spezifischen Immunabwehr kommen.[4]
Außerdem können spezifische Therapien wie B-Zell-depletierende oder CAR-T-Zell-Therapien sowie Immunsuppressiva, Kortikosteroide, Strahlentherapien oder Chemotherapien als Nebenwirkung sekundäre Immundefekte auslösen.[1,2,3]
Weiterhin kommen ätiologisch bestimmte Infektionen, Nierenerkrankungen, Enteropathien und andere Erkrankungen infrage.[2,3]
Häufige Ursachen für sekundäre Immundefekte bei onkologischen Erkrankungen [1,2,5]
Ursachen für SID | Beispiele |
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Tumorerkrankungen | Chronische Lymphatische Leukämie, Multiples Myelom, Maligne Lymphome |
Iatrogene Immunsuppression durch Therapien | Antiinflammatorische / immunsuppressive Therapien, konventionelle Chemotherapien, biologische oder zielgerichtete Therapien, Immuntherapien |
Transplantationen | Stammzelltransplantation |
Malnutrition | Substratmangel (Mangel an Proteinen / Mikronährstoffen) |
Erkrankungs- oder therapiebedingte Verschiebungen des Hormonhaushalts und metabolische Störungen | Eiweißverlust bei Enteropathie oder nephrotisches Syndrom (Hypogammaglobulinämie), Urämie |
Organdysfunktion oder -ausfall | Leberzirrhose, Nierenversagen, Splenektomie |
Zerstörung der physiologisch-anatomischen Barriere | Schleimhaut- oder Hautläsionen (z. B. durch Venenkatheter) |
B-Zell-gerichtete Therapien als mögliche Ursache für sekundäre Immundefekte [1,2]
B-Zell-gerichtete Therapien | Beispiele |
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Oberflächenrezeptoren | |
Anti-CD20 | Rituximab, Ocrelizumab, Ofatumumab, Veltuzumab, Ublituximab, Obinutuzumab |
Anti-CD22 | Epratuzumab |
Anti-CD19 | Blinatumomab, CAR-T-Zellen |
Anti-CD52 | Alemtuzumab |
Anti-CD38 | Isatuximab, Daratumumab |
Anti-BAFF | Belimumab |
Intrazelluläre Targets | |
Tyrosinkinase-Inhibitor | Ibrutinib, Imatinib, Dasatinib |
Proteasom-Inhibitor | Bortezomib |
Weitere Therapeutika, die sekundäre Immundefekte verursachen können [1,2]
Therapeutika | Beispiele |
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Kortikosteroide | Glucocorticoide |
Anti-FcRn-Therapien | Rozanolixizumab |
Alkylierende Wirkstoffe | Cyclophosphamid, Chlorambucil, Melphalan, Bendamustin |
Purin-Analoga | Fludarabin, Azathioprin |
Antiepileptika | Phenytoin, Carbamazepin, Valproat, Lamotrigin |
CAR-T-Zell-Therapie
CAR-T-Zell-Therapien werden eingesetzt bei rezidivierenden oder therapieresistenten Tumorerkrankungen, beispielsweise B-Zell-Lymphomen. Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden Tumorzellen mittels Antigenerkennung von patienteneigenen, umprogrammierten T-Zellen identifiziert und eliminiert. Hierfür werden patienteneigene T-Zellen ex vivo genetisch verändert, indem die genetische Information für einen Chimeric Antigen Receptor (CAR) in das Genom der T-Zellen inseriert wird.[6,7]CAR-T-Zell-Therapie: Aufbau und Funktion der CAR ⇓
Bei CAR handelt es sich um rekombinante Rezeptoren für Antigene, welche die Spezifität und Funktion von T-Lymphozyten oder anderen Immunzellen neu ausrichten. Dabei wird ein Gensegment, das für die variable Region eines gegen ein Tumorzelloberflächenantigen (z. B. CD19) gerichteten Antikörpers kodiert, als extrazelluläre Targeting-Domäne verwendet und mit dem Gensegment für die Transmembran-Domäne von CD8 oder einem anderen T-Zell-Oberflächenmolekül verschmolzen. Anschließend werden die Gensegmente, die für intrazelluläre co-stimulatorische Domänen kodieren, an die CD3zeta-Kette angehängt, sodass dieses CAR-Signale zur Stimulierung der T-Zellen liefert, sobald CD19-Zielstrukturen angetroffen werden. Die aktuell zugelassenen Wirkstoffe, die auf CD19 abzielen, treffen allerdings nicht nur B-Stamm-Lymphome, sondern auch gesunde CD19+-B Zellen.[8,9]Ablauf der CAR-T-Zell-Therapie ⇑
Die Herstellung und klinische Verabreichung der CAR-T-Zellen erfordert mehrere Schritte, die sich über einige Wochen hinziehen. Zunächst erfolgt die Gewinnung der T-Zellen mittels Apherese aus dem Blut der Patienten. Anschließend werden diese in vitro exprimiert und expandiert. Nach intravenöser Reimplantierung vermehren sich die CAR-T-Zellen in vivo und können dadurch eine signifikante und dauerhafte Anti-Tumor-Antwort erzielen.[8] Die Auswahlkriterien, für welche Patienten eine CAR-T-Zell-Therapie infrage kommt, richten sich nach Tumorcharakteristika sowie Allgemeinzustand und Komorbiditäten. Patienten- sowie behandlungsbezogene Faktoren und Variablen können das Infektionsrisiko erhöhen.[10,11]CAR-T-Zell-Therapie
Bei der CAR-T-Zell-Therapie wird das Gen für einen chimären Antigenrezeptor („Chimeric Antigen Receptor“, CAR) mithilfe viraler Vektoren ex vivo in patienteneigene T-Zellen übertragen und stabil in das Genom der T-Zellen integriert. So wird auch bei Aktivierung und Teilung der T-Zellen die genetische Information für den CAR an die Tochterzellen weitergegeben. Die mittels CAR-Gentransfer modifizierten T-Zellen werden expandiert und nach Konditionierung der Patienten (lymphodepletierende Chemotherapie (wie Cyclophospamid und Fludarabin)) wieder reimplantiert. Die Konditionierung führt zu einer Reduzierung der Anzahl der körpereigenen Immunzellen und schafft im Organismus des Patienten günstige Bedingungen für die Expansion der infundierten CAR-T-Zellen. Bei Erkennung der Tumorzellen zerstören CAR-T-Zellen, die durch die Aktivierung nach Tumorzellbindung zu zytotoxischen T-Zellen werden, die Tumorzellen. Gleichzeitig beginnen sie aufgrund der Aktivierung zu proliferieren.[63]