Therapieoptionen

Krebserkrankung und/oder -therapien können das Immunsystem schwächen und häufige, teilweise schwere Infektionen verursachen. Deswegen ist es wichtig, mit Ihrem Arzt zu besprechen, wie Sie vor Infekten geschützt werden können.

Ist das Immunsystem beispielsweise durch eine Krebserkrankung und/oder deren Behandlung ge­schwächt, kann sich ein sekundärer Immundefekt entwickeln, also eine erworbene Funktionsstörung des Immunsystems. Sekundär, da es sich um eine Folgeerscheinung einer Erkrankung oder deren Therapie handelt. Die Gefahr bei einem Immundefekt liegt darin, dass schon banale Infektionskrankheiten schwer verlaufen können. Zudem häufen sich Infekte. Um die Anzahl und die Schwere von Infektionen zu verringern, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

 

Prophylaktische antimikrobielle Therapie

Eine Möglichkeit ist die Vorbeugung von Erkrankungen, indem prophylaktisch Medikamente verabreicht werden.

  

Antimikrobielle Substanzen

Das sind Stoffe, die sich gegen Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilze richten. Sie reduzieren die Vermehrung dieser Mikroorganismen oder töten sie ab. In den folgenden Beispielen geht es dabei nicht um die Behandlung einer aktiven Infektion, sondern um einen prophylaktischen, das heißt vorbeugenden, Einsatz der jeweiligen Medikamente. Die Entscheidung für eine prophylaktische Gabe hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel von der Grunderkrankung und der Art der Krebstherapie. 

Antibiotika

Medikamente, die gegen Bakterien wirken, nennt man Antibiotika. Ein Antibiotikum hat fast jeder schon einmal im Rahmen einer bakteriellen Erkrankung erhalten. Patienten mit Krebserkrankungen können ein höheres Risiko für bakterielle Infektionen haben, zum Beispiel Lungenentzündungen. Meist werden diese Infektionen erst behandelt, wenn sie auftreten. Bei Patienten mit sehr hohem Infektionsrisiko kann eine Antibiotika-Gabe jedoch auch prophylaktisch erfolgen. Das Risiko wird vom behandelnden Arzt bestimmt. In der Risikobestimmung werden beispielsweise Art und Schweregrad der Grunderkrankung sowie der spezielle Risikofaktor „Neutropenie“ betrachtet, die Abnahme von für die Immunabwehr wichtigen weißen Blutkörperchen. 

Antivirale Substanzen

Virostatika hemmen die Vermehrung von Viren. Verschiedene Krebsbehandlungen können mit einer erhöhten Anfälligkeit für virale Infekte einhergehen, beispielsweise Grippe (Influenza). Auch können in der Vergangenheit erlebte Virusinfektionen wieder aktiviert werden, zum Beispiel Infektionen durch das Hepatitis-B- oder das Varizellen-Virus (in Form der Gürtelrose = Herpes Zoster). Um eine solche Reaktivierung zu verhindern, gibt es je nach Vorerkrankung und spezifischer Krebstherapie Empfehlungen für einen prophylaktischen (vorbeugenden) Einsatz von antiviralen Substanzen. 

Antimykotika

Medikamente, die gegen Pilzerkrankungen wirken, nennt man Antimykotika. Mit Pilzen sind hier einzellige Organismen wie beispielsweise Candida (ein Hefepilz) oder Aspergillus (ein Schimmelpilz) gemeint. Patienten mit eingeschränktem Immunsystem haben ein erhöhtes Risiko für Pilzinfektionen. Besonders invasive Pilzinfektionen, die verschiedene innere Organe betreffen können, können sehr schwer verlaufen. In Abhängigkeit von der Grunderkrankung, von der Behandlung (z. B. intensive Chemotherapie, Stammzelltransplantation) und von Laborwerten (Neutropenie, s. o.) können Antimykotika vorbeugend eingesetzt werden. 

 

Impfungen

Die Vorbeugung von Infektionen durch Impfungen ist bei Krebspatienten ein bedeutender Bestandteil der Gesundheitsvorsorge. Je nach Art der Erkran­kung und spezifischer Therapie werden bestimmte Impfungen empfohlen. Dazu gehören zum Beispiel Impfungen gegen Pneumokokken (Erreger von Lungenentzündungen), Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus (Wundstarrkrampf). Die saisonale Grippeimpfung (gegen Influenza = „echte“ Grippe) wird auch für Patienten mit sekundärem Immundefekt empfohlen und sollte mit dem Arzt bespro­chen werden. Die Impfung hilft zum einen, die Häufigkeit von Infektionen mit dem Influenza-Virus zu verringern, und senkt zum anderen das Risiko für komplizierende bakterielle Infektionen und schwer verlaufende Lungenentzündungen. 

Auch eine Impfung gegen Herpes Zoster (Gürtelrose) sollte in Betracht gezogen worden. Diese wird für Personen ≥50 Jahre mit einer erhöhten Gefährdung infolge einer Grundkrankheit oder Menschen mit erworbener Immundefizienz bzw. Immunsuppression empfohlen.

Bitte nehmen Sie Ihren Impfpass zum Arztgespräch mit, so dass alle wichtigen Impfungen geplant und dokumentiert werden können. 

 

Immunglobulinsubstitution bei Immunglobulinmangel

Bei schweren und/oder ständig wiederkehrenden Infekten kann auch ein Mangel an Antikörpern bzw. Immunglobulinen vorliegen. Immunglobuline sind jene Antikörper, die zur gelernten, das heißt spezifischen Abwehr des Menschen gehören. Eine Möglichkeit, einen Immunglobulinmangel festzustellen, ist die Messung des IgG-Spiegels im Blutplasma. Bei Immunglobulinen der Klasse G handelt es sich um die am stärksten im Blut vertretene Immunglobulinklasse. Wenn der IgG-Spiegel zu niedrig ist, kann es zu vermehrten, starken und langanhaltenden Infektionen kommen. Die fehlenden Immunglobuline können dann substituiert werden, das bedeutet, dass sie dem Patienten zum Beispiel über eine intravenöse Infusion zugeführt werden.
 

So werden medizinische Immunglobuline gewonnen

Immunglobulinpräparate zur medizinischen Anwendung können nicht künstlich im Labor hergestellt werden. Sie werden daher aus Blut- oder Plasmaspenden gesunder Spender gewonnen. Sicherheit ist dabei oberstes Gebot. Jeder Spender wird zuerst von einem Arzt untersucht. Personen, die ein erhöhtes Risiko haben, an einer übertragbaren Krankheit zu leiden, dürfen ihr Plasma nicht spenden. Blutplasma (mit Immunglobulinen) lässt sich auf zwei Wegen gewinnen: Es kann zum einen aus einer normalen Blutspende gewonnen werden, zum anderen mittels einer Plasmaspende. Bei der letzteren Methode wird während der Spende das Blut in den flüssigen Anteil und die Blutkörperchen aufgeteilt. Letztere fließen anschließend unverändert in den Spender zurück; er hat somit nur sein Plasma gespendet. Auch die Weiterverarbeitung des Plasmas, bzw. die Herstellung der Immunglobulinpräparate unterliegt strengen mehrstufigen Kontrollen: Zunächst werden die einzelnen Spenden mit modernsten Testverfahren auf eine Reihe von wichtigen Krankheitserregern überprüft (z. B. Hepatitis-Viren und HIV). Nur Spenden, bei denen diese Tests negativ sind, dürfen verwendet werden. Jeder Mensch verfügt über ein etwas anderes Antikörperspektrum, abhängig davon, mit welchen Erregern er im Laufe seines Lebens zu tun hatte. Aufgrund dessen wird das geprüfte Plasma von mehreren tausend Einzelspenden in einem sogenannten Plasmapool zusammengeführt. So erhält man ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Antikörper. Aus diesem Plasmapool werden dann die Immunglobuline isoliert. Durch verschiedene aufwändige Reinigungs- und Filtrationsschritte werden eventuell vorhandene Krankheitserreger zerstört und entfernt. Am Ende dieser Schritte steht das hochreine Immunglobulinpräparat, wobei Immunlobulin G (IgG) den Hauptbestandteil ausmacht. Nach der Abfüllung wird jede Charge einer eingehenden Qualitätskontrolle beim Hersteller unterzogen und anschließend von einer unabhängigen Prüfstelle, in Deutschland dem Paul-Ehrlich-Institut, untersucht. Werden auch dort keine Mängel entdeckt, gibt das Institut die entsprechende Charge des Medikaments für die Behandlung frei.
 

Wann ist die Gabe von Immunglobulinpräparaten sinnvoll?

Liegen Warnzeichen für einen sekundären Immundefekt vor, kann Ihr Arzt zur weiteren Abklärung eine Bestimmung der Konzentration von Immunglobulinen (IgG) in Ihrem Serum veranlassen. Ist der IgG-Wert zu niedrig, kann eine Behandlung mit Immunglobulinpräparaten bedacht werden. Der IgG-Wert wird in gewissen Abständen auch während der Therapie gemessen und es kann gegebenenfalls die Dosis angepasst werden, um den Wert auf die gewünschte Höhe zu bringen.
 

Immunglobuline - intravenös oder subkutan?

Immunglobuline können intravenös oder subkutan verabreicht werden. Eine Entscheidung für die Art der Gabe wird zusammen von Arzt und Patient getroffen und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Immunglobuline können Sie nicht als Tablette einnehmen, da sie im Magen und im Darm abgebaut würden und dann keine Wirkung mehr hätten. Dahererfolgt die Behandlung mit Immunglobulinen als Infusion – entweder intravenös, also in die Vene (intravenöse Immunglobuline, IVIg), oder subkutan, also unter die Haut (subkutane Immunglobuline, SCIg).
 

Intravenöse Immunglobuline

Die intravenöse Infusion von Immunglobulinen hat sich bei Immundefekten bereits über viele Jahre bewährt. Sie erfolgt in der Regel in der Ambulanz, im Krankenhaus oder aber in der Arztpraxis und dann im Abstand von drei bis vier Wochen. Die intravenöse Verabreichung dauert üblicherweise eine bis mehrere Stunden. Die Dauer der Infusion ist von der Dosis abhängig und davon, wie der Patient die Immunglobuline verträgt.
 

Subkutane Immunglobuline

Anstelle der intravenösen Gabe von Immunglo­bulinen kann alternativ auch auf die subkutane Anwendung umgestellt werden. Das bedeutet, dass die Patienten nach eingehender Schulung die Infusion selbst zu Hause oder unterwegs mit einer kleinen Pumpe vornehmen können. Die subkutane Infusionstechnik wird üblicherweise in circa drei Trainingseinheiten in einer Klinik oder einer Praxis erlernt, bevor man sie selbst ausführen kann. Dabei ist es zusätzlich hilfreich, wenn ein Familienmitglied oder eine Betreuungsperson die Heimselbsttherapie unter­stützt. Die Infusion unter die Haut erfolgt meist wöchentlich, teilweise auch zweiwöchentlich. Die Dauer der Infusion ist von der Dosis abhängig und wird mit dem Arzt festgelegt. In der Regel liegt die Infusionsdauer bei 1-2 Stunden bei wöchentlicher Gabe. Die Patienten sind bei diesem Verfah­ren zeitlich unabhängiger und flexibler, gerade auch wenn es um die Vereinbarkeit von Therapie und Beruf geht. 

 

IVIg oder SCIg – Was ist für wen geeignet?

Beide Formen einer Immunglobulintherapie führen zur Stabilisierung des Immunsystems. Welches Verfahren für den jeweiligen Patienten geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. 

 
Entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt, welche Art der Immunglobulin-Behandlung für Sie am besten geeignet ist.
 
Dr. med. Karsten Franke

Dr. med. Karsten Franke

St. Marien-Krankenhaus Siegen

Dr. Franke erklärt, wie bei Krebspatienten eine erhöhte Infektionsanfälligkeit untersucht und behandelt werden kann. 

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